Wärmefenster

(js) Es wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass die Schutzkleidung des Feuerwehrangehörigen mit einem "Thermofenster" versehen werden sollte, damit dieser eine "zu hohe" Temperatur rechtzeitig fühlen kann. Die einfachste Lösung dieses Thermofensters besteht darin, einfach, statt des wie in der EN 469 geforderten gleichen Schutzes für Ober- und Unterkörper, eine entsprechend isolierte Schutzhose wegzulassen. Dies führt dann oft zu einer Kombination aus einer EN 469 / HUPF- Schutzjacke und einer schwer entflammbaren, einlagigen Arbeitshose. Diese Kombination halten wir für praxisfern, sinnlos und gefährlich.

Praxisfern und sinnlos, weil beim Kriechen - der wohl bevorzugten Gangart im Innenangriff in hocherhitzten Brandräumen - sich damit das "Thermofenster", welches von der Oberkante der Stiefel bis zum Knie reicht, am niedrigsten und somit kältesten Punkt des Raumes befindet - am Boden! Die Information, die der Feuerwehrangehörige daher durch dieses Thermofenster erhält ist irrelevant: am Boden ist es verhältnismäßig kalt - was jedem Feuerwehrangehörigen wohl vorher schon klar ist. Da die Temperatur am Boden keinen Rückschluss auf die Gefährlichkeit der Rauchschicht zulässt, ist diese Information sogar irreführend. Und ein Wärmedurchschlag beim Bewegen in einer heißen Rauchschicht oder bei Annäherung an eine Wärmestrahlungsquelle ist unabhängig von der Dicke der Schutzkleidung - er kommt garantiert früher oder später. Hier ist es sinnvoller, diesen Durchschlag, durch die Ausbildung rechtzeitig erkennen zu können.

Gefährlich, weil dadurch nicht nur das Knie fast direkt Gefahren wie Scherben, Glut etc. ausgesetzt wird, sondern auch der gesamte Unterkörper bei einer Beflammung vermutlich schwer verletzt wird. Dies wurde auch schon durch entsprechende Unfallhergänge im Einsatz und bei der Ausbildung belegt (www.atemschutzunfaelle.eu). Während die Schutzjacke 10 Sekunden Beflammung aushält, beginnt die Hose nach 5 Sekunden zu brennen! Hier sind noch schwerere Unfälle vorprogrammiert, da die Haupt-Schutzfunktion der Überjacke von der Hose nicht erfüllt wird, nämlich dem Träger bei plötzlicher, unvorsehbarer Beflammung eine Flucht zu ermöglichen. Illusorisch anzunehmen, dass ein Feuerwehrangehöriger mit einer brennenden Hose zu irgendwelchen zielgerichteten Tätigkeiten in der Lage ist. Vorsichtige Selbstversuche in der RDA haben gezeigt, dass bei einer kontinuierlichen Wärmebelastung (offene Flammen aus dem Brandraum) der verminderte Schutz durch früheres Zurückziehen ausgeglichen werden kann, bei einer plötzlichen Durchzündung (Rauchdurchzündung) augenblicklich ein massiver, schmerzhafter Wärmedurchschlag stattfindet und ernsthafte Verbrennungen nur durch sofortige Flucht aus der Übungsanlage verhindert werden konnten - wobei der Proband direkt vor der Fluchttür saß!

Daraus resultiert die unabdingbare Forderung, den Feuerwehrangehörigen an allen Körperteilen mit dem gleichen Grad an Schutz durch Wärmeisolation auszustatten. Es macht keinen Sinn, wenn z.B. die Schutzjacken einer Rauchdurchzündung 10 Sekunden standhält, aber die Atemschutzmaske nach 5 Sekunden versagt! Daraufhin sind alle Normungen für Helme, Schutzkleidung (insbesondere die Schnittstellen zum Kopf und zu den Händen), Schutzhandschuhe- und stiefel, Atemschutzgeräte, Funkgeräte zu überprüfen. Allerdings muss auch gesagt werden, dass es nicht sinnvoll ist, diesen Schutz zu übertreiben. Die jetzige Festlegung für das Isolationsvermögen der EN 469 wird von den RDA-Ausbildern als ausreichend angesehen.

Quelle: Fachartikel "Rauchdurchzündungsanlagen (RDA) - Erfahrungen und Konsequenzen"

Brandamtmann Jan Südmersen, Berufsfeuerwehr Osnabrück
Brandamtsrat Heinz Engels, Berufsfeuerwehr Düsseldorf
Hauptbrandmeister Frank Gerhards, Berufsfeuerwehr Mönchengladbach
Frank Schultes, RDA Ausbilder, Feuerwehr Merzenich
Dr. med Kurnoth, Stadt Mönchengladbach
Dr.med P.v.Hasselt, Stadt Mönchengladbach
Hauptbrandinspektor Ing. Günther Geist, Feuerwehr St. Pölten (Österreich)
Brandoberinspektor Markus Groß, Berufsfeuerwehr Frankfurt